Münzpflege

Die Pflege von Münzen und Medaillen und ihre Erhaltungsgrade

Münzen sind gewöhnlich und von Hause aus eigentlich Gebrauchsgegenstände, die einem natürlichen Verschleiß unterliegen, wenn sie denn Jahre oder jahrzehntelang im Umlauf waren. Viele Münzen gingen von Hand zu Hand und wurden alles andere als pfleglich behandelt. Sie weisen folglich unterschiedliche Gebrauchsspuren auf. Einige blieben so lange im Zahlungsverkehr, daß man kaum noch erkennen kann, wie sie einst, als sie vom Stempel sprangen, ausgesehen haben. Andere Münzen wurden ausschließlich für Sammler in besonderer Qualität geprägt, sogar „handgehoben“ vom Stempel und sofort perfekt verpackt.

Letzteres trifft vor allem auf die Zeit zu Beginn der 60-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu. Doch auch schon viel früher, in vergangenen Jahrhunderten, gab es immer wieder spezielle Abschläge für Sammler. Nicht wenige Reichsmünzen wurden speziell für einen damals kleinen Kreis von
Münzliebhabern in „PP“ gefertigt, aber auch Gold- und Silberabschläge von Umlaufmünzen sind keinesfalls erst eine Erfindung des 19. und 20. Jahrhunderts.

Auch die „Sammlermünzen“, die also nie wie der besungene „Taler“ von „Hand zu Hand“ wanderten, können sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte
durch Umwelteinflüsse im weitesten Sinne verändert haben. Gerade die empfindlichen PP-Stücke erhalten allein durch unsachgemäßes Anfassen
durch Laien Berührungsspuren. Die meisten Münzen bestehen aus Metallen, die mehr oder minder hart und widerstandsfähig gegen alle möglichen
Einflüsse sind.

Für den Münzsammler ist der Erhaltungsgrad einer Münze von großer, teilweise ganz entscheidender Bedeutung. Dem Anfänger sei hier geraten,
keine zu großen Kompromisse hinsichtlich dieser Erhaltungsstufen einzugehen. Viele junge Sammler wollen erst einmal möglichst viele Münzen für ihr Geld haben. Später werden sie das, was sie einst billig und schnell zusammengetragen haben, selbstkritisch als „Münzschrott“ einschätzen. Der fortgeschrittene Sammler sieht die Frage der Erhaltungen anders. Er strebt jeweils den idealen Zustand einer Prägung an. Natürlich muß man bei alten Münzen vergangener Jahrhunderte, die eigentlich nur durch Zufall in gutem Zustand „überlebten“, Kompromisse schließen. Wer hier nicht in gewisser Weise kompromißbereit ist, sollte zum Beispiel keine antiken oder auch nur Münzen vor dem 20. Jahrhundert zu sammeln beginnen. Er käme auch mit viel Geld nicht sehr weit.

Seit es Münzsammler und auch Händler gibt, haben sich zur besseren Kommunikation Definitionen zu den Erhaltungsgraden eingebürgert, die man unbedingt kennen muß. Denn gerade vom Zustand der Münze ist auch ihr Preis abhängig, teilweise mehr als von der Seltenheit.

Die Erhaltungsgrade sollen nachstehend erklärt und möglichst genau definiert werden. Zugleich muß darauf verwiesen werden, daß die Einschätzung des Erhaltungsgrades immer eine individuelle Sache ist. Nirgendwo gibt es mehr Differenzen zwischen Händlern und Kunden, Anbietern und Käufern, als bei den Erhaltungsgraden, abgesehen vom Preis, doch dieser ist ja wiederum direkt mit dem Erhaltungszustand verbunden. Erfahrene Sammler werden wissen, wie sehr sich hier auch Angaben bei verschiedenen Auktionshäusern und Händlerpreislisten unterscheiden können.

Einige Sammler verzichten auf seltene Münzen, wenn der Erhaltungsgrad „nicht stimmt“, andere hingegen gehen eher Kompromisse ein und finden ihre ganz individuelle Grenze, die sie für sich definieren. Diese Grenze liegt da, „wo das Stück noch Freude macht“, wie es in Sammlerkreisen zutreffend heißt.

Wie schon eingangs erklärt, kann man durch Reinigung und Pflege allein niemals den Erhaltungsgrad beeinflussen, also ein Stück wird auch durch perfekte chemische Behandlung nicht besser im Erhaltungsgrad. Durch den Umlauf verursachte mechanische Abnutzung oder chemische Korrosion kann nicht rückgängig gemacht werden. Doch viele Stücke kann man erst nach einer sachkundigen Reinigung hinsichtlich ihres Erhaltungsgrades wirklich richtig einschätzen. Und nicht selten kommt dann begründet Freude auf, wenn eine Münze, die man kaum als „sehr schön“ hätte bezeichnen wollen, sich nach Entfernung aller Beläge und Schmutzspuren als „fast vorzüglich“ herausstellt.

Da der Münzmarkt international zusammengewachsen ist, werden die Namen der Erhaltungsgrade nicht nur in den sogenannten „Weltsprachen“, sondern auch in den Sprachen einiger unserer östlichen wie westlichen Nachbarländern angegeben, zugleich mit den üblichen Abkürzungen und häufig auch verwendeten römischen Zahlen. Diese finden Sie in Tabelle 1.

In Preislisten von Händlern werden Sie stets auch „Zwischenvarianten“ finden, also z.B. „ss +“, was bedeutet, besser als „sehr schön“, oder „f.vzgl.“, sprich: „fast vorzüglich“. Bei uns selten, aber in Tschechien sehr beliebt, ist es, die Erhaltungsgrade von beiden Seiten anzugeben, also 1/1 oder 1/2 bedeuten: unzirkuliert vor- und rückseitig oder Vorderseite unzirkuliert und Rückseite nur vorzüglich.

Und die Namen der Erhaltungsgrade sind sprachlich überall „geschönt“, was „Good“ im Englischen ist, wird im Deutschen mit „gut erhalten“ angegeben, besser wäre zu sagen und zu schreiben „gering erhalten“. Und im Englischen sollte dieses „Good“ auch besser „bad“ heißen. Doch dazu später noch mehr.


Sonstiges

Manchmal preisen Münzprägestätten, wie ™sterreichs Münze, ihre Stücke als „handgehoben“ an, dies bedeutet, daß die Stücke besonders vorsichtig
nach dem Prägen aufgefangen wurden und nicht in einen „Sack“ gefallen sind, wo sie sich gegenseitig beschädigen, wie es bei den meisten bundesdeutschen 10-DM-Gedenkstücken der Fall ist. Diese Stücke sind natürlich immer etwas teurer, aber wegen der hohen Qualität auch beliebt.

Für Anfänger: Jeder Sammler möchte für sein Geld zunächst möglichst viele Münzen! Man ist zu Qualitätskompromissen bereit und gibt für ein „sehr schönes Stück“ z. B. 200 € aus, das in „fast vorzüglich“ schon gut 400 € kostet. Mit einem solchen Kompromiß kann man sicherlich leben. Doch eine Münze in „schön“ des gleichen Typs für nur 50 € gekauft zu haben, bedeutet einen Verlust: man wird sie kaum wieder zum gleichen Preise verkaufen können und sie ist ein „Schandfleck“ in der Sammlung, der irgendwann beseitigt werden muß.


Weitere Makel bei Münzen

Viele Münzen wurden schon vor 100 oder 200 Jahren, wenn nicht schon viel früher,

auch zu Schmuckgegenständen verarbeitet. Auch bei uns war es in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts modern, Münzen an Ketten oder als Broschen zu tragen. Solche Münzen weisen immer wieder sogenannte „Henkelspuren“ auf, da an die Münze eine ™se gelötet war. Versierte Restauratoren können solche Henkelspuren
recht gut beseitigen.
Dennoch sind derartige Restaurierungsarbeiten immer mehr oder minder leicht zu erkennen und korrekte Münzhändler und Auktionshäuser geben bei „reparierten“ Münzen, wie z. B. bei einem beseitigten Henkel, immer „Hsp.“ (Henkelspur) an. Siehe dazu auch „Restaurieren“

Noch schlimmer als das Anbringen eines „Henkels“ ist das „Durchbohren“ von Münzen. Bei guten Sammlermünzen – entsprechend der großen Nachfrage – wurde manchmal ein solches Bohrloch „gestopft“, teilweise mit gutem, meist jedoch mit weniger Erfolg. Auch hier gibt es für den Laien keinerlei Möglichkeiten, diesen Makel zu beseitigen. Münzen und Medaillen mit gestopftem Loch sollten nur bei wirklichen Raritäten in die Sammlung aufgenommen werden.

Der langjährige Münzsammler kennt gewöhnlich die Münztypen, die besonders gern „gehenkelt“ wurden.deutschen Silbermünzen sind viele der beliebten „Mansfelder“ (Preußen, 3 RM 1915 – 100 Jahre Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld zu Preußen, Jaeger 115) so verunstaltet. Bei Polen finden wir beispielsweise die Ausgaben der Aufständischen zu 2 und 5 Zloty von 1831 häufiger mit Henkelspuren als ohne, weil die Patrioten diese Stücke gern als Schmuck oder Talisman bei sich führten.

Münzen wurden auch zu Broschen umgearbeitet. Ihnen wurde Nadel und ™se auf einer Seite aufgelötet; nachdem die Stücke für Sammler interessant und entsprechend teuer wurden, hat man diese wieder entfernt. Man spricht hier von „Broschierungsspuren“. Diese sind bei entsprechend sachkundiger Restaurierung durch Goldschmiede manchmal sehr schwer zu erkennen. Also auch stets das Münzfeld bei guten Münzen genau untersuchen.

Doch Münzensammler müssen hinsichtlich der Qualität immer wieder Kompromisse schließen. Auch der Verfasser dieses Büchleins hat eine Münze mit einem Loch in der Sammlung, was ja noch schlimmer ist als Henkel, Henkelspuren oder Broschierungsspuren. Es handelt sich hierbei um eine Belagerungsmünze zu 6 Groszy der Festung Zamoïsïc aus dem Jahre 1813, die unter Polen wie Sachsen gesammelt wird. Doch bei der Absicht, diese gegen ein gutes, nicht gelochtes Stück auszutauschen, ist es geblieben, unter anderem auch, weil bislang kein relativ gutes Stück zu einem annehmbaren Preis bislang zu bekommen war.